Fluss I

Es fließt der Fluss
Nicht weil er kann,
Sondern weil er muss;
Er kommt nie an.
Unter der Erde,
Allzu dunkel,
Hört man ihn werden,
Hört man ihn munkeln,
Hört man Geschichten,
Hört man Gerüchte,
Hört man Gedichte
Von ferneren Küsten.
Er fließt seit Jahren
Fast unentdeckt
Von all den Scharen,
Die Blut geleckt.
Er läuft und verläuft nicht,
Tränkt und ersäuft nicht,
Kennt kein Erbarmen,
Kennt keine Namen.
Er erzählt Geschichten,
Die spielen im Dunkel,
Die spielen im Lichte,
In grauem Gefunkel.
Seine eigene Quelle
Ist längst vergessen,
Aber nicht die Stelle,
An der seine Fesseln
Vom ersten fließenden,
Sich ergießenden Tropfen,
Von ewig schließenden,
Durch leises Klopfen,
Zu immer offenen
Toren wurden,
Zu immer hoffenden
Festen und Burgen.
Dies ist Teil der Quelle,
Der kleinere von beiden,
Der lichte und helle,
Doch ganz ohne Seiten.
Die Quelle, die zählt,
Ist unentdeckt.
So sehr man sich quält,
Sie bleibt versteckt,
Falls sie existiert.
Wer weiß das schon?
Vielleicht residiert
Dort nur der Geist, der erglomm –
Der Ursprung von Allem
Sei eins mit dem Fluss?
Dann will ich fallen,
Denn alles ist Verlust.
Der Fluss ist anders,
Man hört es genau
Am Wie seines Wanderns,
Er schreit es heraus.
Der Fluss aus dem Jetzt
Hat die Quelle vergessen,
Die nichts je ersetzt.
Die Zeit hat gefressen.
Doch gibt es noch Spuren,
Die dann irgendwann,
Wie Verse und Suren
Jemand deuten kann.
Bis zu dieser Zeit,
Vielleicht auch für immer,
Bleibt es geheim,
Weil sich keiner erinnert.

 

[Dezember 2013]

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